Zensur ist ein Kampfbegriff, der gerne verwendet wird, um ganz unterschiedliche Phänomene zu verurteilen. Leider verliert er dabei an Schärfe. Ich plädiere deswegen für einen relativ engen und nicht normativen Zensurbegriff. Protest oder moralische Missbilligung würde ich nicht als „Zensur“ bezeichnen. Das Gleiche gilt für Selbstzensur und eine „organisationsinterne Konformierung“, die sich unter anderem in der Schweigepflicht und anderen Vorgaben von Berufs- und Mitgliedsrollen zeigt.
Notwendige Kennzeichen von Zensur sind nach meinem Modell (siehe das Schaubild unten)
– Negativität, d.h. die Unterdrückung missliebiger Informationen,
– der Versuch, die Umwelt (und nicht das eigene System) zu steuern,
– eine formelle Sanktionsgewalt, oft verbunden mit einer Institutionalisierung der Zensur.
Obwohl ich den Begriff damit eng definiere: Selbstverständlich gibt es auch in der Bundesrepublik Deutschland Zensur. Diese zeichnet sich unter anderem durch ihre Verrechtlichung und ihre Diskutierbarkeit aus. Charakteristisch sind außerdem die Felder, auf denen sie angewendet wird, und die Argumente zu ihrer Rechtfertigung, zum Beispiel der Jugendschutz und der Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Ausführlich nachzulesen ist meine Argumentation in einem Artikel in einem Band des Rottenburger Jahrbuchs für Kirchengeschichte, der die Ergebnisse einer Tagung zur Buchzensur enthält.
Grafik als PDF zur freien Verwendung bei Angabe der Quelle.